arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Aktuelles

11.12.2023 | Reichsprogromnacht am 9. November 1938

Stolpersteine

Es ist ein trüber Novembermorgen. Sonnabend, 8 Uhr in der Frühe. Langenhorn scheint noch zu schlafen. Die Essener Straße ist fast unbelebt. In der Siedlung der sogenannten „Schwarzwaldhäuser“ ist kein Mensch zu sehen.

Doch plötzlich kommt Leben in diese spätherbstliche Szene: Mit dem Fahrrad oder zu Fuß nähern sich 3, 4, schließlich sogar 7 Frauen und Männer dem Gedenkstein für die zwischen 1943 und 1945 an diesem Ort eingesperrten jüdischen Zwangsarbeiterinnen: „Unrecht – nicht vergessen“. Manche erinnern sich: In den 1990er Jahren war diese kleine Gedenkstätte unter der Mitwirkung der Verfolgtenverbände von dem in Langenhorn lebenden Sozialsenator Jan Ehlers (SPD) eingeweiht worden. –

Unmittelbar vor dem Stein und der Info-Tafel waren vor ein paar Jahren 50 Stolpersteine gesetzt worden, die erinnern sollten an hier umgekommene Kinder. Die Zwangsarbeiterinnen waren gezwungen worden, im nahe gelegenen Rüstungsbetrieb „Hanseatische Kettenwerke“ zu arbeiten. Ihre hier geborenen Kinder hatten unter den elenden Bedingungen, unter denen sie hier leben mussten, kaum eine Überlebenschance. Es waren Kleinstkinder und Säuglinge, deren junges Leben hier beendet wurde, bevor sie überhaupt so etwas wie Mutterliebe oder menschliche Zuwendung erfahren durften. 48 der Kinder, die hier geboren und sehr bald gestorben waren, sind uns namentlich bekannt, zwei von ihnen sind namenlos geblieben. Wer hier am Anfang des Jahres 1945 unter den katastrophalen Verhältnissen des KZ-Außenlagers „das Licht der Welt“ erblickt hatte, für den hatten die Nazi-Schergen nicht mehr die Absicht, sich um die Registrierung von individuellen Daten zu kümmern. So haben die Kinder nicht einmal einen Namen erhalten, der sie als menschliche Individuen hätte kennzeichnen können.

Der Künstler Günter Demnig hatte die 50 Steine persönlich gesetzt. Mehrere Klassen aus Langenhorner Schulen hatten den feierlichen Akt begleitet, hatten Texte vorgetragen, alle Namen der Kinder verlesen und für einen würdigen Rahmen gesorgt.

Allein in Hamburg sind über 7000 Stolpersteine verlegt worden, nur in Berlin waren es bisher mehr. In fast allen europäischen Ländern ist man dem deutschen Beispiel gefolgt. Es handelt sich um das größte dezentrale Mahnmal der Welt, das nicht unumstritten geblieben ist. In München sind z.B. keine dieser Steine verlegt worden. Begründung: Man wolle die Opfer nicht auch noch „mit Füßen treten“.

Am Morgen dieses Novembertags machen sich die anwesenden Akteure sogleich ans Werk: Mit Putzlappen und Reinigungsmittel werden die kleinen Messingplatten geputzt und gewienert. Sie waren bereits verschmutzt oder verstaubt und sollten ihre Leserlichkeit und den alten Glanz zurückerhalten.

Es stellt sich heraus, dass die hier agierenden Langenhornerinnen und Langenhorner zum hiesigen SPD-Distrikt gehören. Die Bürgerschaftsabgeordnete Clarissa Herbst, die schon anderswo in Langenhorn eine Patenschaft für Stolpersteine übernommen hat, hatte ihre politischen Freunde zu dieser Aktion eingeladen. Alle Beteiligten, ob jung oder alt, sind mit Eifer bei der Sache. Es scheint für sie eine Ehrensache zu sein, auf diese Weise der Opfer von Gewalt und Willkür zu gedenken. Gerade in diesen schwierigen Zeiten.